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  09.12.2003
 

Zwiegespräche mit der toten Mutter

Würzburg. Schon wieder eine Premiere im Theater Ensemble: "Gedächtnis des Wassers" steht neu auf dem Programm, eine Tragikomödie von Shelagh Stephenson.

 

Da sind drei Schwestern, Frauen zwischen 30 und 39 Jahren, und dort ist ihre gerade gestorbene Mutter. 75 Jahre ist sie alt geworden. Die Erinnerungen an sie sind unterschiedlich. Die Schwestern streiten sich. Wer war sie? Was hat sie aus ihnen gemacht?

Eine Katastrophe scheint der Tod nicht zu sein, die Trauer hält sich in Grenzen. Marie (Dagmar Schmauß), Theresa (Esme Koslitz) und Kathrin (Monika Braminski) sind mit sich selbst beschäftigt. Theresa, die Mittlere, hatte sich um die alte Dame gekümmert. Nicht genug, wirft sie sich vor, macht sich ein schlechtes Gewissen und wirft es über die anderen aus. Marie, die Älteste, und Kathrin, die Jüngste, gehen ihr nicht ins Netz. Die eine hält Zwiegespräche mit der Toten, die andere scheint gänzlich ungerührt.

Alle drei haben Macken, mehr oder weniger sichtbar. Sie kommen nicht klar, nicht mit sich, nicht untereinander, nicht mit ihren Männern. Marie ist bodenständig und bissig, Therese am Rande der Hysterie, Kathrin ist hyperaktiv. Sie zanken, quälen und erforschen sich.

Sie tragen ihre Mutter in sich. Jede ist ein Aspekt von ihr. Die Alte hat ihre Zerrissenheit, ihre Vorzüge und abstoßenden Seiten an die Nachkommen weitergegeben. Die Männer - Maries Mike (Wolfgang Stenglin) und Theresas Frank (Uwe Dietrich) - sind Abziehbilder des toten Vaters. Die Töchter folgen der Mutter nach, vom Männerverbrauch bis zu Kleinigkeiten wie rot gefärbten Haaren. Das Leben der Mutter ist ein Model, die Leben der Töchter füllen es aus. Es gibt, so scheint es, kein Entkommen.

Das Stück verästelt und verzweigt sich. Marie erfährt zum Beispiel, dass ihr Sohn tot ist, 14-jährig gebärend, hatte sie ihn zur Adoption freigeben müssen. Das ist ein bisschen viel auf einmal, für sie und auch fürs Stück. Aber so ist es halt auch im richtigen Leben. Man kann sich's nicht aussuchen, man muss es nehmen, wie es kommt.

Im Theater Ensemble spielen keine Schauspiel-Profis, das merkt man. Aber das Quintett entfaltet eine beträchtliche Intensität und Authentizität. Packend, wie vor allem die Frauen die Brüche in ihren Wesen entwickeln: böse, witzig, verführerisch, aggressiv, angstvoll, verzweifelt, suchend.

Die Männer, ratlos und verwirrt der eine, mühsam dem Sturm widerstehend der andere, stehen im Hintergrund, sind aber nicht weniger wahrhaftig.

Jutta Rülander führt die Regie; sie hat eine beeindruckende Ensemble-Leistung geschaffen. Langer, verdienter Beifall.

Wolfgang Jung

 

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