"Auf Messers Schneide“ im Chambinzky
Ist das alles nur ein (Scheiß-)Spielchen? Eine
Zeitreise? Eine Vision? Eine Intrige, für die sich
drei Menschen verbündet haben, um Remi in den
Wahnsinn zu treiben? Oder ist bei der Frau eine
Schraube locker? Jede Menge Fragen, die letztlich zu
der einen zentralen führen, um die es sich in dem
Stück „Auf Messers Schneide“ dreht: Was wäre, wenn…? Martina Esser inszeniert die intelligente Komödie
des katalanischen Autors Jordi Galceran, die im
Original den Titel „Cancun“ trägt, für das Theater
Chambinzky. Die Premiere vor – sicherlich
wetterbedingt – nicht ausverkauften Rängen
begeisterte das Publikum. Zu Recht.
Das beruht
auf der witzigen, nicht voraussehbaren Story, die
dazu animiert, Lebenswege aus einer neuen
Perspektive zu betrachten. Das ist auch das
Verdienst der vier Akteure: Wernher von Schrader als
Vince, der sich vom etwas linkischen Unternehmer zum
heißen „Bettkämpfer“ verwandeln darf; Viola Villa in
der Rolle der durchsetzungsfähigen Laura, die Streit
aus dem Wege zu gehen versucht, bei Bedarf aber
eifersüchtig ihre Krallen ausfährt; Wolfgang
Stenglin schlupft in die Rolle des Paul, ist mal
verschämt-verschmitzt, mal unglücklich über seine
eigene Langweiligkeit; und – bei aller Anerkennung
der Leistungen dieses Trios – der glänzend
agierenden Monika Schiefer in der Rolle der Remi.
Achterbahn der Gefühle
Beeindruckend, wie wirklichkeitsnah sie die
ungläubige, wütende, verwirrte Frau spielt. Sie ist
diejenige, die in ein neues Leben katapultiert wird
und sich fragen muss, ob sie den Richtigen
geheiratet hat, wer der Mann ihres Lebens ist.
Dabei fängt die Story unbeschwert an: Die seit
Jahren befreundeten Paare Remi und Vince, Laura und
Paul verbringen einen gemeinsamen Urlaub im
mexikanischen Cancun. Gut gelaunt kehren die vier
zurück in das Apartment (stimmungsvolles Bühnenbild:
Ulrika Schäfer und An-dreas Zehnder) von Vince und
Remi. Die gibt nach reichlich genossenem Alkohol
unwillentlich ihr Geheimnis preis: Vor 25 Jahren
stand die jetzige Paarkonstellation „auf Messers
Schneide“ und wurde von ihr entschieden, indem sie
einen Autoschlüssel versteckte. Daher fuhr in dieser
Nacht, in der die Beziehungen beider Paare begannen,
nicht Vince, sondern Paul Laura nach Hause.
Remis
Geständnis erhitzt die Gemüter. Während Laura und
Paul über ihre Swinger-Club-Erfahrungen berichten
und sich reizvolle Partnertausch-Spielchen
vorstellen können, fühlt sich Vince manipuliert. Um
die Situation nicht eskalieren zu lassen, trennen
sich die Paare.
Als Remi am nächsten Morgen
erwacht, glaubt sie an ein Wechselspielchen: Nicht
Vince, sondern Paul begrüßt sie zum Frühstück. Doch
damit nicht genug: Sind ihre Erinnerungen
tatsächlich ihre? Es entspinnt sich ein fesselndes
Verwirrspiel um Identitäten und Paarungen, das das
Prädikat „sehenswert“ verdient.