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  11/2012

Wenn nichts bleibt als eine Stimme

Intim ist das KuZu-Kellertheater im Chambinsky. Gerade groß genug, um die stockende Stille und den leisen Atem des Publikums zu hören, als Paulina das Schweigen über ihre tragische Vergangenheit bricht. Paulina Salas ist die Protagonistin des Stückes „Der Tod und das Mädchen“. 15 Jahre nach ihrer Entführung sieht sie sich mit ihrem Peiniger eines totalitären Regimes konfrontiert. Das fiktive südamerikanische Land, in dem sie lebt, ist seit der demokratischen Revolution vor einigen Jahren von den Tyrannen des Regimes befreit. Anders Paulina. Sie kämpft mit den Geistern ihrer Vergangenheit. An dem Tag als ihr Mann, Gerado Escobar, den Arzt Doktor Roberto Miranda mit nach Hause bringt, meint sie in ihm ihren Peiniger gefunden zu haben. Einziges Indiz: die Stimme Mirandas. Für Paulina Beweis genug, um ihm auf eigene Faust den Prozess zu machen. Gerado schwankt. Paulina und Gerado beginnen ein Ringen um Gerechtigkeit und Recht.

Die Inszenierung steuert dem Höhepunkt entgegen. Die Dialoge überschlagen sich; werden dann unterbrochen von verzweifelter Stille. Paulina und Gerado drehen sich mit ihren Argumenten im Kreis. Ihre Wege zu Gerechtigkeit und Recht sind verschieden. Wie kann man Unrecht mit Unrecht sühnen? Und als Zuschauer kommt man nicht umhin, sich diese Frage ebenfalls zu stellen. Was wäre, wäre ich Paulina? Ein immer gleiches Meeresrauschen bringt einen stets von den eigenen Gedanken zurück zur Inszenierung auf der Bühne.

Erfolgreich uraufgeführt wurde das Stück 1991 im Royal Court Theatre in London. Dann preisgekrönt und in 25 Sprachen übersetzt. Ulli Stephan und Uwe Carstensen übertrugen das Stück ein Jahr später in die deutsche Sprache. Unter dem Regisseur Roman Polański erschien 1994 der Film „Der Tod und das Mädchen“ in den Kinos. Zentrales Motiv blieb das gleichnamige Streichquartett Nr. 14 d-Moll von Franz Schubert.

Auch im Würzburger Theater Chambinsky begleitet den Zuschauer Schuberts Streichquartett als Tonbandaufnahme. Der Recorder bildet den roten Faden durch die Inszenierung – denn auf Tonband aufgenommen werden soll auch Mirandas Geständnis. Mit wenig Tam-Tam schaffen die Bühnenbildner Volker Harzdorf und Henry Schwarzott für die Szenen einen nüchternen Raum. Er gibt dem Zuschauer wenig Aufschluss darüber, wo genau das Stück spielt – und so strebt es Ariel Dorfmann an. Unbestritten verarbeitet der chilenische Autor von „Die Maske“ und „Konfidenz“ in diesem Stück seine Erfahrungen mit der chilenischen Militärdiktatur. Dennoch ist der Raum seines Stückes fiktiv. So auch hier. Auf diese Weise bleibt Regisseur Manfred Plagens mit seiner Regie-Assistentin Michelle Neise die Möglichkeit, alle Aufmerksamkeit den Charakteren zu widmen. Mit ihrem intensiven Spiel verleihen Dorothy Albert als Paulina Salas, Wolfgang Stenglin als Doktor Miranda und Joachim Vogt als Gerado Escobar ihren Charakteren Persönlichkeit. In herausragenden Monologen lassen sie ihre Stimmen zum Publikum sprechen, zeigen ihre innersten verzweifelten Sehnsüchte und lassen uns an einem brisanten Beziehungsgeflecht teilhaben.

Die Größe des Raumes fordert an einigen Stellen jedoch ihren Tribut. Manche Szenen bleiben dem Zuschauer deshalb verborgen. Einzig die Stimmen der Schauspieler sind zu hören. Die eigene Fantasie ist dann gefragt. Vielseitig interpretierbar ist auch der Schluss. Die Zuschauer stachelte es umso mehr zu begeisterten Diskussionen an. Am Ende wurden Darsteller und Regie dafür mit einem enthusiastischen Applaus belohnt.

Fazit: Eine packende Darstellung mit viel Raum für die eigene Interpretation.

Spannung: *** | Anspruch: **** | Tragik: ***** | Diskussionspotential: ****

Heike Nickel

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