Wohin sind die Sardinen verschwunden?
Eine der beliebtesten Komödien des Gegenwartstheaters ist "Der nackte
Wahnsinn" von Michael Frayn, mit der dem britischen Theaterautor im Jahr
1982 der internationale Durchbruch gelang. Seither ist die flotte
Kultkomödie aus den Theaterspielplänen nicht mehr wegzudenken. Im
Würzburger Theater Chambinzky ist sie jetzt in einer Inszenierung von
Monika Schiefer und Mio Müller neu herausgekommen.
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Foto: Oliver Mack Wuerzburg |
Leidenschaftliche Schauspielerinnen und Schauspieler Emilia Heid (von
links), Maximilian Thurn, Hubertus Grehn, Horst Fuchs, Nicola Roch,
Christina von Golitschek, Antonia Raaber und Wolfgang Stenglin
begeistern ...
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Sieben absolut identische Türen und ein Fenster nehmen,
zwei Meter vom Vorhang nach hinten versetzt, die gesamte Bühnenbreite ein.
Sie spielen, neben einem Teller Sardinen, die "Hauptrolle" in dieser
irrwitzigen, temporeichen und raffiniert konstruierten "Stück im
Stück"-Komödie, die das Theater selbst zum Thema hat. Musikalisch
eingeleitet von Marvin Hamlischs Interpretation des Scott
Joplin-Klassikers "The Entertainer" geht es sofort ins Geschehen: eine
achtköpfige Tourneetheatertruppe und ihr Regisseur sind in der
Generalprobe der Komödie "Nackte Tatsachen".
Zuschauer kringeln sich vor Lachen
Es ist kurz vor Mitternacht, nichts funktioniert:
Türen klemmen, der Teller mit Sardinen fehlt, Kontaktlinsen gehen
verloren, Requisiten fehlen – die Nerven aller Beteiligten liegen
blank, am nächsten Tag soll Premiere sein. Mit seiner Erfahrung und
der Ruhe eines Profis versucht Regisseur Loyd das Chaos zu steuern,
doch auch ihm entgleitet das Geschehen immer mehr – sehr zum
Vergnügen der Zuschauer, die sich im Chambinzky schnell kringeln vor
Lachen. Wortwitz, Situationskomik, Slapstick, ständig aufgehende
oder sich schließende Türen befeuern immer neue Wendungen.
Doch nach der Pause kommt es noch toller. Der
zweite Akt zeigt eine der ersten Vorstellungen der "Nackten
Tatsachen" – aus der Backstage-Perspektive. Hinter den Kulissen geht
es zu wie im Tollhaus: Intrigen, Eifersüchteleien, Affären,
Starallüren und die Jagd nach Alkohol entzweien das Ensemble, selbst
der vormals coole Regisseur wird Teil des Intrigantenstadels. Ein
wahrer Alptraum für Theatermacher, ein großartiger Genuss für die
Zuschauer, denn mehr Theater geht kaum: perfekte Gestik und Mimik,
irrwitzige Komik, perfekte Choreografie, exakt getimte Auf- und
Abtritte, leidenschaftliche Schauspielerinnen und Schauspieler:
Antonia Raaber, Andreas Neumann, Emilia Heid, Maximilian Thurn und
Ursula Bertelmann, sowie mit Christina von Golitschek, Hubertus
Grehn, Monika Schiefer und Wolfgang Stenglin (der nach
gesundheitsbedingter langer Pause ein souveränes Comeback feiert)
vier Darsteller, die schon bei der 2009er-Inszenierung dabei waren,
werden mit stürmischem Applaus begeistert gefeiert.
Manfred Kunz
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