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  29.02.2020

Fesselndes Verwirrspiel um Identitäten

"Auf Messers Schneide“ im Chambinzky

Ist das alles nur ein (Scheiß-)Spielchen? Eine Zeitreise? Eine Vision? Eine Intrige, für die sich drei Menschen verbündet haben, um Remi in den Wahnsinn zu treiben? Oder ist bei der Frau eine Schraube locker? Jede Menge Fragen, die letztlich zu der einen zentralen führen, um die es sich in dem Stück „Auf Messers Schneide“ dreht: Was wäre, wenn…? Martina Esser inszeniert die intelligente Komödie des katalanischen Autors Jordi Galceran, die im Original den Titel „Cancun“ trägt, für das Theater Chambinzky. Die Premiere vor – sicherlich wetterbedingt – nicht ausverkauften Rängen begeisterte das Publikum. Zu Recht.
Das beruht auf der witzigen, nicht voraussehbaren Story, die dazu animiert, Lebenswege aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Das ist auch das Verdienst der vier Akteure: Wernher von Schrader als Vince, der sich vom etwas linkischen Unternehmer zum heißen „Bettkämpfer“ verwandeln darf; Viola Villa in der Rolle der durchsetzungsfähigen Laura, die Streit aus dem Wege zu gehen versucht, bei Bedarf aber eifersüchtig ihre Krallen ausfährt; Wolfgang Stenglin schlupft in die Rolle des Paul, ist mal verschämt-verschmitzt, mal unglücklich über seine eigene Langweiligkeit; und – bei aller Anerkennung der Leistungen dieses Trios – der glänzend agierenden Monika Schiefer in der Rolle der Remi.

Achterbahn der Gefühle

Beeindruckend, wie wirklichkeitsnah sie die ungläubige, wütende, verwirrte Frau spielt. Sie ist diejenige, die in ein neues Leben katapultiert wird und sich fragen muss, ob sie den Richtigen geheiratet hat, wer der Mann ihres Lebens ist.
Dabei fängt die Story unbeschwert an: Die seit Jahren befreundeten Paare Remi und Vince, Laura und Paul verbringen einen gemeinsamen Urlaub im mexikanischen Cancun. Gut gelaunt kehren die vier zurück in das Apartment (stimmungsvolles Bühnenbild: Ulrika Schäfer und An-dreas Zehnder) von Vince und Remi. Die gibt nach reichlich genossenem Alkohol unwillentlich ihr Geheimnis preis: Vor 25 Jahren stand die jetzige Paarkonstellation „auf Messers Schneide“ und wurde von ihr entschieden, indem sie einen Autoschlüssel versteckte. Daher fuhr in dieser Nacht, in der die Beziehungen beider Paare begannen, nicht Vince, sondern Paul Laura nach Hause.
Remis Geständnis erhitzt die Gemüter. Während Laura und Paul über ihre Swinger-Club-Erfahrungen berichten und sich reizvolle Partnertausch-Spielchen vorstellen können, fühlt sich Vince manipuliert. Um die Situation nicht eskalieren zu lassen, trennen sich die Paare.
Als Remi am nächsten Morgen erwacht, glaubt sie an ein Wechselspielchen: Nicht Vince, sondern Paul begrüßt sie zum Frühstück. Doch damit nicht genug: Sind ihre Erinnerungen tatsächlich ihre? Es entspinnt sich ein fesselndes Verwirrspiel um Identitäten und Paarungen, das das Prädikat „sehenswert“ verdient.

SABINE DÄHN-SIEGEL

 

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