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  10.01.2022
Theater Chambinzky: Der Kampf um die Betongold-Abrissbude

Wohnen verteuert sich seit Jahren rasant, wird für viele Menschen zum Problem, für wenige zur Chance, ihr Vermögen zu vergrößern. Wie weit sind sie bereit, bei der Wohnungssuche oder Investition zu gehen? Mit einem Augenzwinkern und amüsant verpackter Zeitkritik gibt die Komödie "Drei Morde, Küche, Bad" von Carsten Golbeck, deren Titel gängige Immobilienannoncen variiert, Auskunft darauf.
Bei der Premiere im KuZu-Kellertheater des Theaters Chambinzky durfte das Publikum herzhaft lachen und Bauklötze stauen ob der spielfreudigen Protagonisten, auch wenn deren Lautstärke sich mitunter mit Baulärm messen konnte. Regie in dem mit Comedy- und Slapstick-Elementen gespickten Komödie führt Carsten Steuwer.

Bruchbude statt Luxussanierung
Was für eine Bruchbude (Bühnenbild: Ulli Schäfer und Andreas Zehnder) hat sich das ältliche Ehepaar Uwe und Irene, gespielt von Ursula Bertelmann und Wolfgang Stenglin, da bloß ausgesucht? Echte Alternativen zu diesem Alptraum-Zuhause im vierten Stock gab’s nicht, aus ihrer alten demnächst luxussanierten Wohnung müssen sie wegen der zu erwartenden saftigen Mieterhöhung raus. Da können sie froh sein, fürs Alter ein Dach über dem Kopf gefunden zu haben.
Daher setzt die energiegeladene Irene alles daran, sich hier als Feng-Shui-Beraterin selbständig zu machen – und gleichzeitig ihrem Uwe zu, der auf die Rente zu dämmert. Viel scheint der verkappte Linke, Sprücheklopfer und gescheiterte Akademiker in seinem Leben nicht erreicht zu haben. Gehorsam wie ein Hündchen folgt er den Befehlen seiner Frau.
Noch krasser unterscheiden sich die Charaktere beim zweiten Paar, das ebenfalls dank Vorkaufvertrag Anspruch auf die Wohnung zu haben glaubt. Kurz nachdem Uwe und Irene eine Leiche entdeckt haben und im Nebenzimmer beraten, was nun zu tun ist, stürmt der ständig Handynetz suchende Philipp – Frido Müller füllt die Rolle perfekt - in die einstige gute Stube.

Wohin mit der Leiche?
Im Schlepptau dieses unangenehmen, wichtigtuerischen, großmäuligen Typs: Jana, eine Figur wie auf Daniela Vassileva zugeschnitten. Jana schleppt tatsächlich. Nämlich alles, was man braucht, um die eingeladenen asiatischen Investoren bewirten zu können. Auch wenn sie manchmal versucht aufzumucken, Philipp behandelt sie mal wie sein Spielzeug, mal wie seine Sklavin. Schnell wird klar, warum das betuchte Pärchen sich diese Bruchbude ausgesucht hat: Philipp will den Häuserblock zu Betongold machen - unter anderem "mit Rutsche bis zum Main". Schon im Vorfeld dazu hat er seine Luxusvilla verkauft, weil er durch den unmittelbar neben ihr geplanten Bau einer Flüchtlingsunterkunft einen Wertverlust befürchtet.
Als diese zwei so unterschiedlichen Paar aufeinandertreffen, entsorgen sie zwar gemeinsam die Leiche, doch das hindert sie nicht an einem absurden Wettstreit um die Wohnung. Sie streiten unter- und gegeneinander, befehden sich, ätzen, kontern, herrschen einander an, versuchen sich (fast) zivilisiert zu einigen, kommen auf die absurdesten Ideen wie Rap-Battle und gesungener Volksentscheid, um den Konflikt zu lösen, vergessen Vorsicht walten zu lassen und zeigen, wie weit sie für ihren Immobilientraum gehen würden . .

SABINE DÄHN-SIEGEL

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