Wolfgangs Theaterseite

 

 

 

Presse

Zurück

 

  26.09.2005
 

Erotische Regungen

Würzburg Erwachsenwerden ist nicht leicht, schon gar nicht in einer von Zwängen und Prüderie geprägten Zeit. In seiner "Kindertragödie" "Frühlings Erwachen" zeigte der von Skandalen umwitterte Dramatiker Frank Wedekind (1864 bis 1918), was er von der lust- und triebfeindlichen bürgerlichen Moral der wilhelminischen Zeit hielt: herzlich wenig. Die Würzburger "Werkstattbühne" zeigt jetzt eine erfrischende Inszenierung des Jugenddramas.

Es beginnt ganz harmlos: Melchior (Christian Diterich) und Moritz (Tobias Illing) geht neben Geschichtsdaten und Lateinvokabeln noch so manch anderes, wirklich Aufregendes durch den Kopf. Ihre Eltern können sie in solchen Dingen nicht fragen. Gut, dass Melchior über entsprechende Literatur verfügt. Sein Wissen fasst er für den schüchternen Moritz in der Aufklärungsschrift "Der Beischlaf" zusammen, was ihn in arge Bedrängnis bringen wird. Auch die fünfzehnjährige Wendla (Katrin Kolb), in sexueller Hinsicht gänzlich unaufgeklärt, verspürt erste erotische Regungen, und dann kommt's Schlag auf Schlag: Der sensible Moritz wird in der Schule nicht versetzt und jagt sich eine Kugel durch den Kopf. Wendla wird von Melchior geschwängert und stirbt nach einer verpfuschten Abtreibung. Glück hat Melchior nach seiner Flucht aus der Besserungsanstalt: Die Begegnung mit einer mysteriösen Gestalt, dem Vermummten (Wolfgang Stenglin), bringt ihn zurück auf einen lebensbejahenden Weg.

Schonungslos ging Wedekind mit der verlogenen und prüden Welt der Erwachsenen ins Gericht, für die die moralisch einwandfreie Außenwirkung mehr zählte als das Wohl der pubertierenden Kinder. Der Dramatiker gab diese Sicht durch Überzeichnung ins Groteske der Lächerlichkeit preis. Mit "Frühlings Erwachen" bringt das Ensemble eine geradlinige Inszenierung des junggebliebenen Dramas auf die Bühne. Die jungen Darsteller überzeugen durch leidenschaftliches, glaubwürdiges Spiel, allen voran Tobias Illing als verträumtes Seelchen Moritz. Die Darsteller der prüden Erwachsenen können ebenso überzeugen, besonders Uwe Hansen als schwadronierender Schuldirektor Sonnenstich.

Eva Werner

 

. 

Zurück