Chambinzky: Mit Glitzerfummel und Perücke
Nicht nur komisch, sondern auch
berührend: „Ein Käfig voller Narren“ öffnet sich im Theater
Chambinzky
Kein Zweifel, die beiden sind ein
reizendes Paar. Seit Jahrzehnten arbeiten und leben sie zusammen,
meistern ihren Alltag, ihre Beziehungsprobleme, kümmern sich um Kind
und Mitarbeiter, pflegen ihre Freundschaften, Macken, Allüren,
Ängste. In ihrer Umgebung kümmert's keinen, dass sie bürgerlichen
Kriterien nicht entsprechen, schwul sind: Albin tritt allabendlich
als Travestie-Star Zaza in Georges Club „La Cage aux Folles“ auf.
Diesen Namen gaben Harvey Fierstein
(Buch) und Jerry Herman (Musik/Songtexte) ihrem nach dem Bühnenstück
von Jean Poiret entstandenen Musical. Den Welterfolg mit Kultstatus
präsentiert das Theater Chambinzky als „Ein Käfig voller Narren“
seit dem letzten Abend des vergangenen Jahres. Trotz sicherlich
ausbaufähiger gesanglicher Darbietungen spendete das
Premierenpublikum mehr als nur Achtungsapplaus.
Erzkonservativer Politiker
Der Inhalt des Stücks ist schnell
erzählt: Wie „normale“ Eltern haben Albin, der den Künstlernamen
Zaza (Markus Fäth) trägt, und Georges (Wolfgang Stenglin) dessen
Sohn Jean-Michel (Thomas Rehda) großgezogen. Nun will der junge Mann
Anne (Marina Gebert) heiraten. Doch seine Liebe ist die Tochter des
erzkonservativen Politikers Edouard Dindon, des Vorsitzenden des
staatlichen Ausschusses für Moral und Sitte (Gerd Eickelpasch), und
seiner Frau Marie (Brigitte Weber).
Beide Familien sollen sich
kennenlernen und um das junge Glück nicht zu gefährden, unternehmen
Zaza, Georges, Jean-Michel und Jacob, der lieber als Zofe denn als
Butler agiert (Bernd Stollberger), verzweifelte Anstrengungen,
normal zu erscheinen. Die leibliche Mama wird zwar eingeladen, kommt
aber nicht, und daher schlupft Ziehmutter Albin – gekränkt, weil er
als männlicher Onkel abserviert werden sollte – in die Rolle der
exzentrischen Ehefrau. Für Probleme ist also bestens gesorgt. Und
für ein Happy End natürlich auch.
Markus Fäth nimmt man sowohl die
füllige Verführerin Zaza ab wie die fürsorgliche „Ehefrau“ und
„Mutter“. Wie er greint und zickt, sich mit Glitzerkleid und Perücke
ausstaffiert, sich schminkend den Frust über das Altern und später
die Verletzung durch Jean-Michel und Georges mit „Ich bin, was ich
bin“, dem wohl bekanntesten Song des Musicals, von der Seele singt,
das ist nicht nur komisch, sondern auch berührend. Von Anfang an
gibt auch Wolfgang Stenglin eine gute Figur als Nachtclubbesitzer
ab. Er ist der eher unauffällige Schwule, liebevoll, um Harmonie
bemüht, in dessen Laden die „Cagelles“ (Christos Syrmaidis, Frank
Fiebig, Jürgen Östreicher und Arshad bin Hassan) stolperfrei trotz
atemberaubend hochhackiger Schuhe und in Glitzerfummel auftreten.
Gefährdete Karriere
Das Duo Fäth/Stenglin hat Power, von
der sich Thomas Rehda als etwas blasser, von der Situation
überforderter Sohn noch eine Scheibe abschneiden könnte.
Spielfreudig ist das Trio Dindon: Marina Gebert als Anne ist
unkompliziert und reagiert ganz ohne Vorurteile auf das Outing der
Schwiegereltern in spe, auch ihre Mama (Brigitte Weber) ist wenig
schockiert von der Konstellation, während Heteropapa (Gerd
Eickelpatsch) nur mit Blick auf seine gefährdete Karriere und dank
eines Tricks von Wirtsfreunden des Schwulen-Paares (Petra Fröhlen,
Achim Beck) in die Ehe einwilligt.
Für Live-Musik in diesem Stück um und
mit verkleideten Kerlen unter der Regie von Achim Beck sorgten
Stefan Lehr, Julius Herion und Moritz Wozar. Lob für das ständig
schnell zwischen Nachtbar, Wohnung und Café wechselnde stimmige
Bühnenbild gebührt Volker Harzdorf und Henry Schwarzott. Auch klar:
Ohne die reizenden Kostüme und die aussagekräftigen Requisiten
(verantwortlich: Birgit Sanders) hätte der Abend nur halb so viel
Spaß gemacht.
Sabine Dähn-Siegel
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