Das billigste Kunst-Etablissement der Welt
Würzburg Ein stimmungsvolles Plätzchen haben sich die Macher des Theater Chambinzky für ihre Sommerkomödie ausgesucht. Im ehemaligen Tennis-Center am Stein in Würzburg (Oberdürrbacher Str. 45) hatte unter der Regie von Gwendolyn von Ambesser die Zirkusgeschichte "Katharina Knie" von Carl Zuckmayer Premiere.
Vor den Zuschauern, die sich unter freiem Himmel im Biergarten recht komfortabel um runde Tische gruppieren können, tut sich ein pittoreskes Bild auf (Bühne Sandra Haut, Johannes Schmidt). Ein Wanderzirkus hat sich niedergelassen. Zwischen zwei Zirkuswägen rechts und links vom Zelteingang, die den äußeren Rahmen geben, spielt sich das Leben ab mit allem, was dazugehört. Der erste Akt spielt in den zwanziger Jahren, als "ein Viertel Schoppen Alkohol eineinhalb Millionen" kostet und die Zirkusleut' schier nichts mehr zu beißen haben, weil sich die Menschen selbst "das billigste Kunst-Etablissement der Welt" nicht mehr leisten können. In höchster Sorge um ihr Eselchen stiehlt Katharina, Tochter des Zirkuschefs Knie und Seiltänzerin, ein paar Säcke Hafer. Die Sache hat ein Vorspiel - und natürlich ein kriminalistisches Nachspiel. Denn "das lässt sich nicht so leicht wegschlafen" entsetzt sich der ehrbare und im Stolz schwer getroffene Vater Knie, als die Polizei im Lager auftaucht.
Es sind starke Textstellen, die Carl Zuckmayer in seine Zirkuskomödie geschrieben hat, die viel Gespür für Innenleben brauchen, das es in Außenwirkung umzusetzen gilt - für Laiendarsteller eine riesige Herausforderung. Oskar Vogel gibt, wozu er in der Lage ist. Spielt mit in die Ferne gerichtetem Blick den tragischen Vater, der sich einen Luftakrobaten als Schwiegersohn wünscht, aber gleichzeitig weiß, dass seiner Katharina nichts Besseres über den Weg laufen kann als der bestohlene Winzer und Gutsbesitzer Martin (bodenständig und beweglich: Dietmar Modes). Vogel gibt den Vater, der sich in der Familientradition verstrickt hat und in der Liebe zum einzigen Kind verzehrt. Katharina (phasenweise anrührend Mo Marten) muss selbst entscheiden, wie ihr Leben aussehen wird.
Es passiert viel in den vier Akten. Die gesamte Gefühlspalette rauf und runter und die geballte Mentalität der Seilakrobaten von damals spielt sich vor den Augen der Zuschauer ab. Nicht immer gelingt es der Regie, die Dramaturgie der Vorlage umzusetzen in blutvolles Theater, die Schauspieler so zu führen, dass keine Löcher im Fortgang der Story entstehen. Textstraffungen hätten helfen können. Dafür gefallen der große Auftritt des dummen August (Uwe Hansen), die Körpersprache des Gerichtsvollziehers (Wolfgang Stenglin) oder die herzerfrischende Natürlichkeit des Polizisten (Christian Kelle) und der Bibbo (Gisela Groh), die beide - wie alle - ganz im Sinne von Zuckmayer keine Hochsprache, sondern Dialekt sprechen. Freudiger Applaus des Premierenpublikums.
Ursula Düring
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