Das
kaputte Geschirr der Menschheit
"Einer flog übers Kuckucksnest" im Chambinzky -
Anspruchsvolle Kost in dem an sich auf Heiteres
spezialisierten Hauses
WÜRZBURG (kde) "So viele Dinge sind wahr, auch wenn
sie nie wirklich geschehen", sinniert Häuptling
Bromden (Matthias Hahn) zu Beginn von "Einer flog
über das Kuckucksnest" im ausverkauften Großen Saal
des Würzburger Chambinzky. Die Bühne ist in dunkle
Discotöne getaucht, die Stimme kommt vom Band,
klingt dunkel und fremd.
Berührend und
eindringlich
Dann geht das Licht an - grelles
Krankenhauslicht. Eine Irrenanstalt in den USA,
irgendwann in den 60er: Fiese Pfleger, ein
verwirrter Doktor und eine böse "große Schwester"
(Annette Patrzek), die mit harter Hand regiert.
Mitten rein stolpert McMurphy (Miro Nieselt),
Kleinkrimineller mit Hang zu Gewalt und Exzess: Er
hat sich einweisen lassen, um nach einer
Verurteilung dem Dienst im Arbeitslager zu entgehen.
Schnell knüpft McMurphy Kontakt zu den Insassen, dem
stocksteifen aber hoch gebildeten Harding (Bodo
Koch), dem schüchternen Jungen Billy (Dmitrij
Maximov), dem cholerischen Cheswick (Konstantin
Wappler), zu Bombenbauer Scanlon (Andreas Neumann),
Dauergrinser Martini (Jürgen Keidel) und Ruckley,
der kaum noch eine Regung zeigt.
Ein bisschen wie Jack
Nicholsen
Und da ist der Häuptling, der,
vermeintlich taubstumm, das Geschehen beobachtet,
einordnet und in kurzen Monologen seine eigene,
traurige Geschichte erzählt. Matthias Hahn spielt
diese wichtige Figur mit starker emotionaler wie
auch körperlicher Präsenz aber das gilt in dieser
beeindruckenden Inszenierung für alle dieser
"Psychokeramiken", die "nur das kaputte Geschirr der
Menschheit sind".
Kaputt sind sie alle auf ihre
Weise, und das Ensemble stellt das berührend und
eindringlich dar. Allen voran natürlich Miro
Nieselt, der mit galanter Jack-Nicholson-Attitude -
Nicholsen spielte McMurphy im Film - versucht, die
unmenschlichen Zustände auf der Station zu
durchbrechen, aber auch Dmitrij Maximov, der Billy
perfekt auf dem Grat zwischen jugendlichem Glück und
tiefster Verzweiflung anlegt.
Wo sonst oft
heitere Verwechslungskomödien nicht allzu viel vom
Publikum verlangen, hat es Regisseur Hermann Drexler
geschafft, etwas Besonderes auf die Bühne des
Chambinzky zu stellen. Es gibt viele Lacher in
diesem Stück von Dale Wassermann, das, basierend auf
dem Roman von Ken Kesey, seit über 50 Jahren
Menschen in seinen Bann zieht aber es gibt auch
harte Stellen, wo der Atem stockt.