Letzter Wille von Fitzgerald
Kusz im Theater Chambinzky
Dialekte
sind Delikatessen. Da wird noch mit dem Ohr
gegessen, schreibt der fränkische Dialektdichter
Fitzgerald Kusz auf seiner Website. Er betont, daß
seine Stücke und Gedichte "Mund-Art" seien, und in
der Tat hat er die fränkische Mundart zu einer
Literatursprache gemacht. - Als er 1968 die
Verfilmung von Martin Sperrs Volksstück Jagdszenen
in Niederbayern sah, wurde ihm bewußt, was man mit
dem Dialekt alles ausdrücken kann. Fitzgerald Kusz
begann mit Gedichten, im Rundfunk gesprochen und vom
Studio Franken gesendet. Es folgten Hörspiele, für
eines erhielt er 1975 den Hans-Sachs-Preis. "Da
waren die ersten Dialoge da", wie er sagt.
Die logische Entwicklung ging zum Volksstück, und so
wurde 1976 Schweig, Bub! in Nürnberg uraufgeführt.
Ein Riesenerfolg! Allein in Nürnberg stand das Stück
bis 2010 auf dem Spielplan und wurde 730 Mal
aufgeführt, außerdem in 13 deutsche Dialekte
übertragen. Seitdem hat er zahlreiche Stücke und
Gedichtbände veröffentlicht, für alle gilt: Sie
müssen "mit dem Ohr gegessen" werden.
Eine Kostprobe kann man zur Zeit im Theater
Chambinzky in Würzburg genießen, gleichsam ein
Geschenk des Theaters zum 75· Geburtstag von
Fitzgerald Kusz ( 17.11.2019 ). Nach 2001 steht dort
abermals "Letzter Wille. Ein Leichenschmaus in fünf
Akten" auf dem Programm, wieder inszeniert von
Hermann Drexler, der übrigens auch für die
Inszenierungen von Schweig, Bub! aus den Jahren 2004
und 2008 zuständig war.
Abgesehen von Fitzgerald Kusz' ausgeprägtem, teils
liebevollen, teils scharfen Humor, haben die Stücke
durchaus auch in der Anlage etwas gemeinsam: Eine
Familie ist aus einem familiären Anlaß versammelt,
bei dem die Masken fallen und die bürgerliche
Fassade bröckelt, in "Schweig, Bub!" ist es eine
Konfirmationsfeier, in "Letzter Wille" ein
Leichenschmaus, beides Rituale, die fest im
bürgerlichen Leben verankert sind, dort ein
Initiationsritual (Zitat Kusz ), hier ein
Übergangsritual (Leichenschmaus).
Den
Leichenschmaus gibt es unter den unterschiedlichsten
Namen schon seit Urzeiten, er ist das am weitesten
verbreitete Ritual nach Begräbnissen und soll den
Hinterbliebenen signalisieren, daß das Leben nach
dem Abschiednehmen von den Verstorbenen weitergeht,
positive Erinnerungen wecken, Spannung abbauen,
Trost spenden. Nicht von ungefähr ist eine von
vielen Bezeichnungen für diese Veranstaltung
"Tröster".
Von
solch wohlmeinenden Absichten kann in dem Stück
Letzter Wille nicht die Rede sein, es handelt sich
um einen Leichenschmaus der besonderen Art. Denn
hier geht es nicht um Trost und Besinnung oder um
liebevoll erinnerte Anekdoten aus dem Leben der
gerade beerdigten Tante Martha, sondern um Häme und
Mißgunst innerhalb der hinterbliebenen Familie, um
lange unterdrückte Spannungen, bei Familienfesten
nicht selten, vor allem aber um die erwartete
Erbschaft. Zwischen Marthas Schwester Olga (Maria
Schwab), ihrem Sohn Kurt (Wolfgang Stenglin) und
ihrem Neffen Heinz (Thorsten Rock) entwickelt sich
ein Wettstreit um die Frage: Wer ist der/die
Gierigste? Denn keiner gönnt dem anderen etwas; nur
in einem Punkt sind sie sich einig, daß nämlich
Claudio (Jürgen Keidel), der angeheiratete Neffe,
auf keinen Fall als Erbe in Frage kommt. Die
unsichere Tochter Olgas {Christina von Gollitscheck
als Ursel) wird ebenso rüde beschimpft wie Kurts
Ehefrau Siggi (Arme Hansen) und Heinz' Ehefrau Karin
(Annette Eberlein), wenn sie versuchen einzulenken.
Überhaupt wird das Bild einer trauemden Familie
satirisch verzerrt und mit bitterbösem Humor ad
absurdum geführt.
Aber es kommt, wie es kommen muß! Der gutwillige
Hausmeister Rau (Jürgen Schuhmann), von den
Streitenden herablassend und verächtlich behandelt,
kommt am Ende zu einem bescheidenen Legat, Claudio
erbt den Löwenanteil, und Tante Martha erweist sich
als würdiges Mitglied dieser mißgünstigen Familie,
indem sie per Video aus dem Jenseits eine hämische
Botschaft an die Hinterbliebenen sendet.
Diese mit Elan und Schwung von Hermann Drexler
inszenierte und von den Schauspielern mit großer
Spielfreude aufgeführte Komödie, in der die
zahlreichen Bösartigkeiten teils lautstark, teil
giftig ausgeteilt werden, wird vom Publikum mit
großer Begeisterung und langanhaltendem Beifall
aufgenommen und durch den Dialekt zu einer
Delikatesse, "mit dem Ohr gegessen".