Wolfgangs Theaterseite

 

 

 

Presse

Schließen

  04/2013

Alles was uns aufregt ...

Deutsche Erstaufführung von "Yes, Prime Minister" im Theater Chambinzky Würzburg

 Ernsthaft: Nach welchen Kriterien entscheiden Politiker? Darüber macht sich die Komödie ,,Yes, Prime Minister" lustig mit feinem, recht bissigem britischen Humor. Im Würzburger Theater Chambinzky feierte das Stück von Jonathan Lynn und Anthony Jay seine deutsche Erstaufführung. Es geht um Eurokrise, Ölgeschäfte, Illegalität, Bestechlichkeit, Prostitution von Minderjährigen, Erderwärmung, um alles, was uns heute so aufregt. Moral? Was ist das? Manfred Plagens traf mit seiner zurückhaltenden Inszenierung den Ton zwischen Nachdenklichkeit und absurder Situationskomik: Ein unfähiger, mit hauchdünner Mehrheit gewählter Premierminister des maroden britischen Empire kämpft um sein Amt. Als zufälliger Vorsitzender des Europarats befindet er sich in der Zwickmühle: Zwangsverteidiger des Euro, aber Erhalt der britischen Währung! Da naht als Lösung der Außenminister des Ölstaats Kumranistan; der will eine Ölpipeline quer durch Europa legen, für einen Billionen-Kredit, für eine kleine Gegenleistung, eine Nacht mit einer Minderjährigen. Das stürzt den Premier und seine Berater in höchste Nöte, nicht nur sicherheitstechnisch, zumal sich auch noch die BBC angekündigt hat. Wie sie sich aus dem Schlamassel retten, ist höchst aufschlussreich: durch hohle Rhetorik und ein ökologisches Projekt, das auf bewusst falschen Angaben beruht. Erfinder dieser "Lösung" ist Kabinettssekretär Sir Humphrey Appleby, von Gerd Eickelpasch als distinguierter Gentleman "alter Schule" leise und formvollendet gegeben; seine komplizierten Äußerungen hören sich toll an, entbehren aber jeder Logik. Weder das schmunzelnde Publikum noch der cholerische Premier blicken durch; Wolfgang Stenglin war als dieser Tim Hacker einerseits macht- und selbstbewusst, andererseits völlig orientierungslos. Auch Privatsekretär Bernard Wooley, Nis Heller, ein ehrgeiziger Jungspund, wandelnder Zitatenschatz und moralischer Bedenkenträger, konnte ihn wenig unterstützen. Einzig Sonderberaterin Claire Sutton, die attraktive, stets beherrschte Mirjam Schriewer, behält einen kühlen Kopf. Oskar Vogel als Botschafter Kumiristans bewahrte selbst im Schlafrock noch Haltung im Gegensatz zum Premier, der sich gegenüber den Vertreterinnen der BBC (Michelle Neise) als starker Mann aufspielt.

Renate Freyeisen

. 

Schließen