Alles was uns aufregt ...
Deutsche Erstaufführung von "Yes, Prime Minister" im Theater Chambinzky
Würzburg Ernsthaft: Nach welchen Kriterien
entscheiden Politiker? Darüber macht sich die Komödie ,,Yes, Prime
Minister" lustig mit feinem, recht bissigem britischen Humor. Im
Würzburger Theater Chambinzky feierte das Stück von Jonathan Lynn
und Anthony Jay seine deutsche Erstaufführung. Es geht um Eurokrise,
Ölgeschäfte, Illegalität, Bestechlichkeit, Prostitution von
Minderjährigen, Erderwärmung, um alles, was uns heute so aufregt.
Moral? Was ist das? Manfred Plagens traf mit seiner zurückhaltenden
Inszenierung den Ton zwischen Nachdenklichkeit und absurder
Situationskomik: Ein unfähiger, mit hauchdünner Mehrheit gewählter
Premierminister des maroden britischen Empire kämpft um sein Amt.
Als zufälliger Vorsitzender des Europarats befindet er sich in der
Zwickmühle: Zwangsverteidiger des Euro, aber Erhalt der britischen
Währung! Da naht als Lösung der Außenminister des Ölstaats
Kumranistan; der will eine Ölpipeline quer durch Europa legen, für
einen Billionen-Kredit, für eine kleine Gegenleistung, eine Nacht
mit einer Minderjährigen. Das stürzt den Premier und seine Berater
in höchste Nöte, nicht nur sicherheitstechnisch, zumal sich auch
noch die BBC angekündigt hat. Wie sie sich aus dem Schlamassel
retten, ist höchst aufschlussreich: durch hohle Rhetorik und ein
ökologisches Projekt, das auf bewusst falschen Angaben beruht.
Erfinder dieser "Lösung" ist Kabinettssekretär Sir Humphrey Appleby,
von Gerd Eickelpasch als distinguierter Gentleman "alter Schule"
leise und formvollendet gegeben; seine komplizierten Äußerungen
hören sich toll an, entbehren aber jeder Logik. Weder das
schmunzelnde Publikum noch der cholerische Premier blicken durch;
Wolfgang Stenglin war als dieser Tim Hacker einerseits macht- und
selbstbewusst, andererseits völlig orientierungslos. Auch
Privatsekretär Bernard Wooley, Nis Heller, ein ehrgeiziger Jungspund, wandelnder Zitatenschatz und moralischer Bedenkenträger,
konnte ihn wenig unterstützen. Einzig Sonderberaterin Claire
Sutton, die attraktive, stets beherrschte Mirjam Schriewer, behält
einen kühlen Kopf. Oskar Vogel als Botschafter Kumiristans bewahrte
selbst im Schlafrock noch Haltung im Gegensatz zum Premier, der
sich gegenüber den Vertreterinnen der BBC (Michelle Neise) als
starker Mann aufspielt.
Renate Freyeisen
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