Mechanischer
Liebes-Reigen
Wenn Egoisten kopulieren: "Blue
Room" im Theater Ensemble
WÜRZBURG Arthur
Schnitzlers "Reigen" sorgte bei der Uraufführung 1920 in Berlin
für einen der größten Theaterskandale des 20. Jahrhunderts: In
"Blue Room" sucht der britische Dramatiker David Hare eine für
das 21. Jahrhundert zeitgemäße Fassung des zeitlosen Themas erotische
Anziehung und Abstoßung. Doch Stoff für einen Skandal ist das schon
lange nicht mehr.
Auch nicht in der Inszenierung von Norbert
Bertheau und Jutta Rülander, die im Würzburger Theater Ensemble Premiere
hatte. Das Regieteam konzentrierte sich ganz auf die reduziert-sachliche
Sprache der Figuren, die den zentralen Unterschied zu Schnitzlers
expressivem Gefühlskosmos ausmacht. Hare's Liebessucher sind gefühlskalte
Monomanen, Einzelkämpfer auf der Suche nach dem Partner für eine Nacht,
liebessüchtige Egoisten, denen bereits "Gefühl" ein viel zu
großes Wort ist.
Entlassen in die Freiheit des radikalen
Individualismus unterliegen sie nicht mehr den Zwängen sozialer Milieus
oder gesellschaftlicher Konventionen.
So ist es nur konsequent, die zehn
Paar-Szenen in einem nur mit Bett, Stuhl und Tisch karg und zugleich
variabel ausgestatteten, ort- und zeitlosen Raum zu zeigen: Ein Raum für
die wortreiche Null-Kommunikation, für die schnelle Begegnung und das
noch schnellere Ende; in dem sich wechselnde Partner zu einem mechanischen
Liebes-Reigen finden, aus dem jede Erotik verbannt ist.
Für die Darsteller ist das Erleichterung
und Herausforderung zugleich: Nicht Gefühle müssen gezeigt werden,
sondern Gefühlskälte, nicht Figuren-Psychologie entwickelt, sondern
Ich-bezogene Text-Präsentation. Und das gelingt dem wieder einmal
weitgehend neu formierten Ensemble-Team durchaus stimmig. Wobei sich
Monika Braminski, nicht nur wegen ihrer Doppelrolle als Mädchen und
Model, den Applaus besonders verdient hat.
Manfred Kunz
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