Auf Fränkisch wird das Herzele zum Luder
Würzburg "Jedermann!", ruft der Tod mit hohler Stimme
- und jagt dem Publikum der Salzburger Festspiele regelmäßig Schauer über
den Rücken. Im Würzburger Rathaushof könnte der Ruf etwas anders
klingen: "Jedermooo!" Denn ab 12. Juli geht dort das bekannte
Spiel vom Sterben des reichen Mannes auf Fränkisch über die Bühne. Da
spricht auch der Sensenmann Mundart.
Die Mundart-Version kommt vom bekanntesten fränkischen Mundart-Dichter,
dem Nürnberger Fitzgerald Kusz. Rainer Binz und Regisseur Hermann Drexler
haben den "Fränkischen Jedermann" für das alljährliche
Freilichtspiel des Würzburger Chambinzky ausgesucht - auch, weil das
Privattheater in der Vergangenheit mit Kusz-Stücken ("Letzter
Wille", "Schweig Bub") Erfolge feierte.
Regisseur Hermann Drexler will dem Freilicht-Publikum
"Theaterzauber" bieten und "mittelalterliches
Spektakel". Entsprechend wird auch das Bühnenbild gestaltet.
"Es ist ein wuchtiges Stück", sagt Drexler, der auch die beiden
anderen Kusz-Dramen im Chambinzky inszeniert hat.
Die fränkische Variante eines Klassikers gibt's im Würzburger
Rathaushof (Probenfoto): Jedermann (Markus Grimm) umarmt das Herzele
(Christina Stibi).
Als Grundlage für seinen Text diente Fitzgerald Kusz der
"Jedermann" Hugo von Hofmannsthals. Der wiederum verarbeitete
ein mittelalterliches Mysterienspiel. Kusz "übersetzte" den
Text des Wiener Literaten in eine fränkische Mundart, die Hermann Drexler
als "Kunstfränkisch" bezeichnet. Bekanntlich gibt es
"das" Fränkische ja nicht: Es zerfällt in viele verschiedene
Mundarten. Ein Nürnberger spricht ein anderes Fränkisch als ein Würzburger,
ein Coburger redet wieder anders. Sogar innerhalb einer Stadt kann es
Unterschiede geben.
"Man hört bei uns Fränkisch in allen Schattierungen", sagt
Drexler, auf dessen (langer) Besetzungsliste fast lauter Franken stehen,
Hauptdarsteller Markus Grimm ist in Mannheim aufgewachsen. Grimm aber ist
erstens ein Sprachtalent, der auch das Fränkische hinkriegt. Zweitens
schadet es nicht, wenn sich die Hauptfigur leicht von den anderen abhebt.
Christina Stibi spielt "Herzele". So heißt Hofmannsthals
Buhlschaft bei Kusz - und sie ist hier ein Luder.
"Jedermann" erzählt die fesselnde Geschichte eines Menschen,
dem im besten Alter der Tod die Hand auf die Schulter legt. Nun hat der
reiche Mann eine Stunde Zeit, eine Begleitung für seinen letzen Weg zu
finden. Die Freunde winken ab. Ausgerechnet "Gwissen" und "Glaum",
die als allegorische Figuren auftreten, sollen helfen. Aber die sind wegen
Jedermanns sorglos-oberflächlichem Lebenswandel ziemlich schwächlich . . .
Die Freilicht-Aufführungen des Chambinzky erlangten als
"Freilichtspiele am Stein" Kult-Charakter. Voriges Jahr musste
man in den Rathaus-Hof umziehen. Seither sucht Chambinzky-Chef Binz nach
einem passenden Weingut, weil der Rathaus-Hof zwar zentral liegt, die
Stadt aber zu viele Auflagen mache. Zum Beispiel müssen die 386
Zuschauerplätze nach jeder Vorstellung wieder abgebaut werden.
Ralph Heringlehner
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