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  8 / August 2005
 

Ein Mysterienspiel in seiner fränkischen Variante

Ein Hauch der Salzburger Festspielatmosphäre weht seit dem 12. Juli durch Würzburg, verwandelt sich doch der große Rathaushof zum Schauplatz für »Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes«. Das Theater Chambinzky zeigt in seiner diesjährigen Freilicht-Produktion allerdings nicht den seit 1920 auf dem Salzburger Spielplan stehenden »Jedermann« von Hugo von Hofmannsthal, sondern dessen fränkische Adaption.

Der Nürnberger Autor Fitzgerald Kusz hat den auf einem mittelalterlichen Mysterienspiel basierenden Text in ein zeitgenössisches Fränkisch übertragen: Dieser »fränkische Jedermann« wurde im Juni 2001 am Staatstheater Nürnberg in einer Inszenierung von Intendant Klaus Kusenberg mit großem Erfolg uraufgeführt.

In Würzburg hat Hermann Drexler die Regie übernommen, der bereits die Kusz-Klassiker »Schweig Bub« und »Letzter Wille« für das Chambinzky inszeniert hatte. Zum dritten Mal ist ihm die Arbeit mit der »wunderbaren Blues-Sprache« von Kusz gelungen – mindestens gut, in weiten Teilen sogar sehr gut.

Das beginnt wieder einmal bei einem gleichermaßen imposanten wie effektvollen Bühnenbild (von Sabine Hardt und ihrem Team), das den Blick der Zuschauer im weitläufigen Rathaushof immer auf sich zieht. An optischer Opulenz und Detailfreude nicht zurück stehen Kostüme und Maske (Claudia Rath), die allen Figuren ihre Unverwechselbarkeit und gleichzeitig Allgemeingültigkeit geben – besonders gelungen bei »Tod« und »Teufel«, sowie den Allegorien »Gwissen« und »Glaum«. Dazu kommt ein dezenter und doch effektvoller Einsatz von Soundelementen und Live-Musik (Gerhard Schäfer, Talia von Bezold), der die zur Handlung passende mystisch-mittelalterliche Atmosphäre entstehen lässt.

Zu solch optimalen Rahmenbedingungen kommt eine hochkarätige Darstellerriege, angeführt von Markus Grimm in der Titelrolle. Da hat die Regie leichtes Spiel. Drexler arbeitet die beiden Seiten – die Komik und die Tragik – des »Jedermoo« mit viel Fingerspitzengefühl heraus. Denn das »Spiel vom Sterben des reichen Mannes« verhandelt im Angesicht des überraschend nahenden Todes durchaus existentielle Fragen.

Die Inszenierung löst diesen Spagat einerseits mit nachdenklich stimmenden, ins philosophisch-tiefsinnig gehenden Einzelszenen, die gelegentlich das Moralisch-Religiöse allzu deutlich herausstellen, andererseits mit bildmächtigen, lebensprallen und deftigen Massenszenen, wie etwa dem turbulenten Festgelage oder einem grandiosen Schlußtableau.

Zusammengehalten und getragen wird das Geschehen durch Markus Grimm als Jedermann, dessen dominante Bühnenpräsenz und immense Spielfreude bis in die hintersten Reihen und gelegentlich fast etwas übermotiviert wirkt. Genauso effektvoll Horst Taupp-Meisner bzw. Herbert Ludwig als um dessen Seele kämpfender Teufel und Oskar Vogel als allein schon durch seine Statur, Maske und dunkle Stimme (!) Angst verbreitender Tod.

Hervorragend schlagen sich auch alle Darsteller kleinerer Rollen, von denen Talia von Bezold (u. a. als »Gwissen«), Gottfried Thoma (als »Freund«), sowie Wolfgang Stenglin und Johannes Wohlfahrt (als Vettern »Dick« und »Dünn) stellvertretend für das Ensemble als Wirkungsvollste hervorgehoben seien. Nicht zuletzt gibt Chambinzky-Intendant Rainer Binz als Mammon wieder einmal eine sehenswerte Probe seines schauspielerischen Könnens.

Da fallen die Einwände gegen den gelegentlich schlampigen Umgang mit dem fränkischen Idiom, auch wenn die Regie die Vielfalt »des Fränkischen in all seinen Schattierungen« als Konzept ausgibt, fast marginal aus. Jeder spricht wie ihm sein fränkischer Schnabel gewachsen ist, so daß das die poetische Dimension des Kusz’schen Mundarttextes nicht immer hörbar wird. Die Gesamtleistung der Regie schmälert solche Skepsis kaum, den Erfolg der Inszenierung beim Publikum noch weniger. Zeigte sich doch selbst der bei der Premiere anwesende Autor sichtlich angetan. 

 

Manfred Kunz 

 

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