Komödie
um abenteuerlustigen Provinznaivling
Klassische
Verwechslungsgeschichte im Efeuhof des Würzburger Ratskellers /
Beiseitesprechen stört
Geige
und Klavier könne sie spielen, drei Sprachen beherrsche sie, und natürlich
sei sie in einem erstklassigen Gymnasium gewesen - kein Salespromoter hätte
die Tochter, die dringend verheiratet werden muss, effektvoller anpreisen
können. Und da Worte allein beim Kuppelfeldzug nicht ausreichen, ist es
angeraten, den Körper zum Einsatz zu bringen, das Tanzbein ein wenig zu
schwingen. Es ist denn auch der Verführungstanz der Tango-Tigerin
Franziska Wirth alias Gesine Pfeiffer, der neben der späteren Liebeserklärung
von Michael Völkls Freddy Klapproth und vor allem neben dem exaltierten
Deklamationen des Theaterfreaks Eugen Rümpel zu den Höhepunkten der
Verwechslungskomödie "Pension Schöller" zählt, die in einer
Produktion des Theater Ensembles am Donnerstag im Würzburger Efeuhof
Premiere feierte. Der Dreiakter von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby, 1889
uraufgeführt, zählt zu den bekanntesten Volkskomödien.
Hauptfigur
Herrmann Klapproth glaubt sich in der Pension Schöller in einer Anstalt für
psychiatrisch Erkrankte, er trifft dort auch auf allerhand skurriles Volk,
und weil Menschen mit geistiger Schwäche gemeinhin in Verdacht stehen,
rasch zu rabiaten Mitteln zu greifen, wenn ihnen etwas nicht passt, setzt
er alles daran, bloß keinen zu verletzen oder zu schmähen - sondern
stimmt allen Verrücktheiten treuherzig zu. Wolfgang Stenglin, Frontmann
der Würzburger Kabarettgruppe "Die Rotstifte" und erstmals bei
einer Sommertheater-Produktion des Theater Ensembles beteiligt, gibt Onkel
Klapproth naiv, voll kindlichen Gemüts; dennoch bleibt seine Figur unter
der Regie von Theaterleiter Norbert Berthau und Uwe Dietrich bisweilen
etwas blutleer. Wo beispielsweise Marco Peter als Thomas Kißling, der
Freund Freddy Klapproths, in unpassender Weise überzogen agiert, ist die
Figur von Herrmann Klapproth zu wenig pulsierend angelegt.
Als
Star der Produktion entpuppt sich, nicht zum ersten Mal, Nicolai Will als
Eugen Rümpel, ein im wirklichen Leben schüchternes, auf den imaginären
Brettern, die die Weit bedeuten, aufblühendes Bürschchen, dessen ganze
Seligkeit in dem Traum einer großen Schauspielerkarriere liegt. Sicher,
Wills Rolle ist wegen des Rümpel zugeschriebenen Sprachfehlers - es will
dem angehenden Bühnenstürmer nicht gelingen, das "L" als
"L" auszusprechen, stets kommt ein "N" heraus -
dankbar, viel dankbarer als die Rolle des Herrmann Klapproth, die auf
defensives Reagieren und auf maßlose Verwunderung angelegt ist, doch es
braucht eben Nikolai Wills Verve und überschießende Energie, um all das
aus seiner Rolle herauszuholen, was an mitreißender Komik auch mehr als
120 Jahre nach dem Entstehen der Komödie um einen abenteuerlustigen
Provinznaivling steckt. Nach Kräften nutzt Will die Chance, sich
ausagieren zu können.
Obwohl
Regisseur Uwe Dietrich den Text von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby auf
Anachronismen durchforstet und modernisiert hat, kann "Pension Schöller"
nicht wirklich als moderne, zeitgemäße Komödie gelten, störend
insbesondere ist das gehäuft auftretende Beiseitesprechen, die
Kommentierung des eben Geschehenen - anstatt dass dieses mimisch und
gestisch zum Ausdruck käme; an diesen Stellen bleibt die Handlung jeweils
für einen Atemzug stecken, was zwar nicht immer die Heiterkeit killt, auf
die Dauer jedoch erheblich irritiert. Verwirrend sind auch einige
situative Ungereimtheiten. So ist die von Ursula Hoede hausfraulich
ausgearbeitete Figur der Ulrike Klapproth, Schwester des Protagonisten,
einmal mit einem Handy zu sehen. Wenige Momente später muss Herrmann
Klapproth, dessen Bauernhof inzwischen voller angeblicher Irrer ist,
unbedingt in die Stadt fahren, um Schöller, den Pensionsinhaber,
herbeizuholen - als gäbe es keine Telefone.
Gut
gelungen ist dem Regieteam ein ständiger Tempo- und Spannungswechsel:
Ruhigen Szenen wie die zwischen dem. Liebespaar Freddy Klapproth, von
Michael Völkl in authentischer Verzweiflung gegeben über einen Onkel,
der glaubt, einmal über die Stränge schlagen zu müssen, und Karin Wilz
als charmante Frederike, wechseln mit turbulenten, den kompletten Bühnenspielraum
ausnutzenden Szenen wie jene, in denen Dagmar Schmauss' überkandidelte
Schriftstellerin Annemarie Krüger von ihrer eigenen Fantasie hinweggespült
wird. Witzig auch die knappen, aber effektvollen, "blaubärigen"
Auftritte von Norbert Bertheau als schroffer Kapitän Gröber, auflockernd
Hermann Geists Akkordeonspiel. Michael Franz, der für den erkrankten
Werner Saal einsprang, dürfte seiner Figur des Pensionsinhabers noch
einen Schuss mehr spezifischen Ausdruck geben, er verliert bisweilen gegenüber
den anderen Ensemblemitgliedern an Standfestigkeit.
"Pension
Schöller" ist ein unbeschwertes Theatervergnügen in der Tradition
der Verwechslungskomödien, an manchen Stellen kann herzhaft gelacht
werden - und doch darf die Frage gestellt werden, ob es diese Art von Komödie
noch ist, die das heutige Publikum sehen möchte, ob es nicht doch, trotz
lauer Sommernacht, etwas Tiefgängigeres, Substanzielleres sein darf, es
muss ja nicht gleich psychologisch überlastig sein. Oder wenn schon,
dann, angekoppelt zum Beispiel an Nikolai Wills übersprudelnde Auftritte
oder an die "Volksoper"-Inszenierung, völlig schrill - was aber
gewiss auch nicht das Publikumsgros bedient.
Pat Christ
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