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  03.11.2004
 

Tragisch und faszinierend 

Werkstattbühne Würzburg produziert Büchners "Woyzeck"

Vor zwei Jahren war er als konfuser König in der Werkstattbühnen-Produktion "Leonce" und Lena" zu sehen, bei einer Inszenierung des Würzburger Uniclubs spielte er in "Dantons Tod" mit, jetzt vollendet Regisseur und Schauspieler Manfred Plagens seine Büchner-Trilogie mit einer eigenen "Woyzeck"-Inszenierung in der Werkstattbühne Würzburg. Zusammen mit Bühnenbildnerin Verena Hemmerlein, die in den Plagens-Inszenierungen "Urfaust" und "Die Unterrichtsstunde" von Eugène Ionesco bereits für Kostüme und Bühnenbau verantwortlich war, bereitet der Würzburger Theatermann derzeit eine in 26 Kurzszenen unterteilte, originalgetreue Fassung des Dramenfragments vor, das der 1813 in Goddelau bei Darmstadt geborene, bereits mit 24 Jahren in Zürich an Typhus gestorbene Arztsohn Büchner 1836/37 verfasste.

Zur Premiere am 4. Dezember ist es noch eine Weile hin, doch bereits jetzt zeigen Schulklassen aus der Region großes Interesse an den Aufführungen des ersten deutschen Sozialdramas, die bis Mitte Februar kommenden Jahres den Spielplan der Werkstattbühne bestimmen werden. Mitten in dem Off-Theater-Kellerraum entsteht derzeit, einer Boxarena ähnlich, die Bühne für die so tragische wie faszinierende Figur des Franz Woyzeck (Alexander Blühm), der seine Geliebte Marie (Carolin Wörz), die sich mit einem Tambourmajor (Marc Deiterding) eingelassen hat, "töten wird, weil er muss".

Die um die Bühne gruppierten Zuschauer werden die Welt symbolisieren, die sich immer schneller um den Soldaten Woyzeck zu drehen beginnt. Alles schaut ihn an, alle Augen starren auf ihn - eben dieses Gefühl treibt Franz Woyzeck in den Wahnsinn. Woyzecks Schreckensvisionen, die der politisch oppositionelle Dichter Büchner in ebenso eindringlichen wie prägnant-knappen Szenen schildert, hat gesellschaftliche Wurzeln, der Täter ist Opfer unbeeinflussbarer Umstände. Allein die Tatsache des medizinischen Experiments - ein Irrsinn. Der zum exzessiven Erbsenessen Verdammte muss durchdrehen.

Die Schwächung der körperlichen Konstitution verschärft seine seelische Labilität. Hetze, Kampf ums Geld, Versklavung, Verknechtung, Verkauf der Arbeitskraft, der Lebenszeit - die Thematik erscheint im Zeichen von Hartz IV und Agenda 2010 aktueller denn je. Heute wie zu Büchners Zeiten leiden Menschen unter den unerträglichen Gefühlen von Ungerechtigkeit und Unterlegensein, von Ausbeutung und Ausgrenzung. Das Werkstattbühnen-Team entschied sich nichtsdestoweniger gegen ein "Agitprop-Theater", in Plagens Inszenierung wird die künstlerische Komponente die "sozialrevolutionäre" dominieren. Woyzecks innere Welt wird ins Visier genommen.

Das Fühlen und Denken dieses verfolgten und verhöhnten Mannes kommt vor allem in der von Stephan Knies komponierten Musik zum Tragen. Am Ende stellt sich die Frage, ob da ein als wahnsinnig Gebrandmarkter die Welt nicht wesentlich deutlicher erkennt als die abgestumpften Menschen seiner Umgebung. Was Woyzeck beobachtet, was er subtil wahrnimmt, übersteigt seine Seelenkräfte. Dass die Wahrnehmungen an sich falsch sind, propagieren am Ende die, die sich der Wahrnehmung verweigern. 

Pat Christ

 

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