Mitleidlose Bilder aussagekräftig inszeniert
Georg Büchners Drama »Woyzeck« auf der Werkstattbühne Würzburg
Im
Grunde besteht Georg Büchners Drama »Woyzeck« aus Bruchstücken. So ist
es uns überliefert. Dennoch fügen sie sich unweigerlich zusammen zum
Bild eines tragischen Sozialdramas. Eng an dieser für ihre Zeit
revolutionären Vorgabe entlang inszenierte Manfred Plagens das Stück in
der Würzburger Werkstattbühne als Folge fragmentarischer, in sich
aussagekräftiger Szenen.
Drei tragbare Klötze genügen dabei zur Markierung
von Schauplätzen; an den Wänden finden sich »Zitate« aus dem bürgerlichen
Umfeld, in dem Woyzeck mehr vegetiert als lebt; die Schauspieler tragen
heutige Kleidung (Ausstattung Verena Hemmerlein), die Zuschauer sitzen wie
um eine Arena herum. So wird das Publikum zum Zeugen eines sich immer
auswegloser entwickelnden, vorhersehbaren Untergangs. Schon die
Eingangsszene mit dem schüchternen, stillen Woyzeck, wie er den Boden
nach beängstigenden Geräuschen abhört und abklopft, und dem eher
unbeteiligt pfeifenden Andres gibt die wichtigsten Hinweise auf später.
Doch auch ein bisschen bescheidene »Show« hat die
Regie unter das bedrückende Ganze gemischt. Da dürfen beim Jahrmarkt die
Girls die Nummern ansagen per Mikro, und das vorgeführte »Tier« ist
eine Art menschliche Karikatur mit seiner abnehmbaren Maske. Dagegen macht
die smarte Frau Doktor, zuerst im weißen Mantel, später im schneidigen
Manager-Outfit, sich selbst lächerlich, auch wenn sie sich ungeheuer
wichtig nimmt. Dass der Tambourmajor (Marc Deiterding) entgegen dem Büchner-Text
weniger an einen Baum erinnert, liegt wohl an Schwierigkeiten der
Besetzung der Rolle. Ansonsten aber beeindruckte das Darsteller-Team:
Alexander Blühm war ein introvertierter, leiser, gutmütiger Woyzeck, ein
Opfer der Gesellschaft und der Armut. Marie, sehr überzeugend von
Caroline Wörz gegeben, leidet an ihrer inneren Zerrissenheit, hält aber
alles für sinnlos: Einerseits will sie sich mit anderen Männern ein
wenig Glück ertrotzen, andererseits fühlt sie sich schuldig gegenüber
Woyzeck, der alles für sie tut. Sie verachtet sich selbst, weil sie ihn
betrügt, und scheint ihren Untergang zu provozieren.
Auch der Doktor, sehr arrogant und glatt, von Silvie
Kraemer gespielt, und der selbstzufriedene und faule Hauptmann (Wolfgang
Stenglin) nützen Woyzeck aus als menschliche Ware. Die übrigen
Darsteller, die wechselnde Rollen erfüllten, waren Beispiele für
mitleidsloses Verhalten. »Jeder Mensch ist ein Abgrund«, lässt Büchner
sagen. Der Mord erscheint so, von den Sensationslüsternen begafft, als
schicksalhaft, als innerer Zwang, als eine Konsequenz aus den Verhältnissen.
Trotz des tief pessimistischen Grundzuges gab es lange begeisterten
Beifall.
Renate Freyeisen
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