Wolfgangs Theaterseite

 

 

 

Presse

Zurück

 

  05.12.2004
 

Cool bis hin zum Mord an der geliebten Marie

 

Würzburg Dieser Woyzeck ist einer aus unserer Mitte und unserer Zeit. Wie in einer Arena blicken die Zuschauer auf die rechteckige Spielfläche im Zentrum der Würzburger Werkstattbühne. Dort führt die Titelfigur von Georg Büchners Dramenfragment ihren aussichtslosen Kampf gegen ihm unbegreifliche Zwänge und Nöte, die ihn schließlich zum Mord an seiner geliebten Marie treiben.

In seiner Inszenierung holt Manfred Plagens den Stoff aus dem zeitlichen und sozialen Kontext der Entstehungszeit und interpretiert ihn als zeitgenössisches Beziehungsdrama. Er stellt Woyzeck (Alexander Blühm) in eine ortlose, alltägliche Gegenwart, die von einer melancholisch-depressiven Grundstimmung geprägt ist.

Seltsam emotionslos, blutleer bis hin zur Coolness ist dieser Woyzeck, einer, der sich vom Leben nichts erwartet und nichts erhofft. Der auf seine Umgebung, die Hilfsangebote seines Freundes Andres (Christoph Weidmann), die Ratschläge seines Hauptmanns (Wolfgang Stenglin) und die Anweisungen von Frau Doktor (Dorothy Richter) nur noch mit sprachlicher Gleichförmigkeit reagiert.

Selbst die emotionale Nähe zu Marie (Carolin Wörz) und zum gemeinsamen Kind bleibt steril - keine Leidenschaft, nirgends! Nicht mal beim properen und die Marie begehrenden Tambourmajor (Marc Deiterding). Dafür wird auf der Bühne jederzeit, auch zur Unzeit, gequalmt, was das Zeug hält - die Zigarette als allgegenwärtiges Symbol für die Sehnsucht nach Nähe und gleichzeitige Nicht-Kommunikation.

Wenn die Inszenierung trotzdem eine undefinierbare Spannung ausstrahlt und in wenigen Momenten auch packende Nähe zu den Figuren entsteht, liegt das an Büchners karger, hoch verdichteter Sprache. Und an der schnellen Folge von kurzen, abrupt abbrechenden Szenen, die heutigen, von Clip-Ästhetik und Schnitt-Techniken geprägten Seh-Gewohnheiten überaus entgegenkommen und vom insgesamt elf-köpfigen Team vorzüglich umgesetzt werden. Insoweit ist Plagens beachtenswerter Blick auf Woyzeck eine durchaus zeitgemäße Einladung für ein junges Publikum, sich seinen Woyzeck selber zu erfinden.

Manfred Kunz 

 

. 

Zurück